Vom 31. Januar bis 2. Februar 2012 fand in Karlsruhe die Learntec statt - hier ein persönlicher Rückblick auf den Kongress.
Die E-Learning-Branche ist im Aufwärtstrend und das Web2.0 ist für Deutschlands Zukunft wirtschaftlich extrem wichtig. In vielen Bereichen des Alltags wird es verstärkt Einzug halten (Gesundheitswesen, Behörden etc.). Die Offliner werden weniger, dennoch gibt es noch viel zu tun in Sachen Medienkompetenz. Mit diesen Gedanken starteten die Eröffnungsredner, ehe es dann am Dienstag 31.1. in die einzelnen parallelen speziellen Themen-Sessions ging.
Allein am Vormittag des ersten Tages standen die Themen “Virtual Classrooms”, “Open Source Lernplattformen”, “Enterprise 2.0″ sowie “Medienkonvergenz und Cross-Media-Publishing” auf dem Programm. Parallel dazu gab es noch den Workshop zu “Augmented Reality”. Dieses Thema begegnet einem im Hochschulbereich eher selten, und daher war ich sehr dankbar für diesen spannenden Einblick ins Thema, unterstützt vom Erfahrungsbericht über das Augmented-Reality-Konzept des STERN. Wer Interesse daran hat, sich die Verbindung von Print und AR an einem konkreten STERN-Heft-Beispiel anzuschauen, kann gerne bei mir vorbei kommen.
Am Nachmittag war der Themenbereich “Serious Games Didactics” gut besucht, es ging ja auch um effektive Konzepte von “Computerspielen, die den Lernprozess sinnvoll mit Spielprinzipien vermitteln wollen”. Wenngleich die meisten derzeitigen Serious Games als langweilig und wirkungslos gesehen wurden (sie trennten Lernen vom Spiel, sie nutzten falsche Spielmetaphern, sie seien zu simulativ, sprich zu nah an der Realität und machten daher keinen Spaß), gäbe es doch effektive Gameplay-Konzepte und die Förderung verschiedenster Kompetenzen sei denkbar.
Im Sektor “Cloud Learning” berichtete ein Referent vom CelTech über aktuelle Projekte und Forschung. Wichtig war ihm der Hinweis, dass sie sich bereits 2007 mit Mobile Learning Applications beschäftigt haben und nunmehr der Fokus nicht auf der Anpassung an ein jeweiliges Endgerät liege (das sei keine Innovation), sondern Inhalte zur Verfügung zu stellen, zu aggregieren, so dass sich der Inhalt welchem Endgerät auch immer anpasse. Für Hochschulen sei eine - bisher leider zu wenig beachtete - Thematik die Überlegung: Was macht man mit all unseren Lerninhalten (PDF, Präsentationen etc.) auf künftigen (mobilen) Endgeräten?
Mobile Endgeräte, v.a. iPads, waren auf der Learntec natürlich sehr vertreten, sowohl im Kontext von eBook-Möglichkeiten thematisiert als auch bei Vortragenden und Teilnehmern als eigenes Gerät der Wahl.
Besonders am zweiten Konferenztag gab es etliche Vorträge rund um Mobile Learning: “Education is going mobile in the United States and worldwide”. Die Bedingungen, die das klassische Bildungssystem ausmachten, haben sich geändert. Mobile Geräte bieten Möglichkeiten, zu lernen wo auch immer man ist und Zugriff auch auf entfernte Lernressourcen, und es gibt bereits unzählige Lern-Apps für Smartphones. Im Bereich der “textbooks” gibt es aktuell große Veränderungen: Die Firma Apple hat auf dem amerikanischen Markt eine große Initiative für digitale multimediale Schulbücher angekündigt und deutsche Schulbuchverlage planen eine verlagsübergreifende Initiative, die auf der anstehenden didacta in Hannover vorgestellt werden soll.
Sehr großes Interesse fand der Vortrag der FernUni Hagen: “APPgefragt - Was Studierende für mobiles Lernen & Informieren erwarten”. Gerade im amerikanischen Bereich gibt es bereits viele Hochschulen, die eigene Apps anbieten, z.B. “Harvard Mobile”. In Deutschland bieten u.a. die Uni Hohenheim und die Uni Bochum (RUB mobile) entsprechende Apps an. Übliche Inhalte sind Newsreader, Orientierung auf dem Campus, Mensaplan, Veranstaltungen, UB-Kataloge, Lernplattform-Zugriff, Podcasts u.ä. Studenten wiederum wünschten sich noch Lernkarten, Sprachkurse, Wissens-Datenbanken - nützliche Features aus ihrer Sicht seien Export-/Importfunktionen, die Möglichkeit der Offline-Nutzung und die kostenlose Nutzung. Als didaktische Prinzipien bei der Entwicklung nannte der Referent die Aspekte: vorherige Zielgruppenklärung, Berücksichtigung von Diversity-Aspekten, AV-basierte Angebote, nur kleinere Texte, schneller Informationsabruf, Kommunikation mit Anderen, Kooperatives Lernen, Wissensabfrage, Nutzer wollten eine persönliche Umgebung (PLE). Das Ergebnis muss dann einfach sein, d.h. eine kleine kompakte Lösung. Mehrere Unis haben Einzelideen über eine App realisiert, wie z.B. die FernUni Hagen, die gerade eine erste Version einer App für Grundlagen der Allgemeinen Bildungswissenschaft entwickelt hat (moBiwi kompakt).
Vorhersagen über Entwicklungen der nächsten Jahre zu treffen, ist immer schwer. Der nächste Referent (HS Karlsruhe) ging auf die unterschiedlichen App-Realisations-Möglichkeiten und deren Vor- und Nachteile ein. Native Apps bieten bestmögliche Systemunterstützung (Kamera, GPS, Telefon etc.) und v.a. sei der Vertrieb über einen AppStore höchst werbewirksam. Web-Apps hingegen seien einfacher und für alle Browser nutzbar, müssten dafür aber auf Vieles verzichten. Als Trends der nächsten Jahre sieht er Augmented Reality, “Bring your own device” für Mitarbeiter von Firmen, Tablet-Einsatz in der Lehre und den Trend zu Frameworks für standardisierte Lösungen.
Am letzten Konferenztag interessierten mich die Vorträge im Themenfeld “Rechtsfragen E-Learning” am meisten. Die Referentin aus der Uni des Saarlandes gab interessante Anregungen zu den Aspekten Sharing, Datenschutz und Social-Media-Strategie. Man müsse wissen, dass man sich laut Facebook-AGBs aller Rechte entäußere beim Sharing (z.B. Facebook “dürfe alle meine Bilder verkaufen”) und auch beim Löschen des eigenen Kontos blieben die gesharten Inhalte bei Anderen erhalten. Lehrmaterial hineinzustellen sei insbesondere schwierig, weil wir keinen begrenzten Nutzerkreis im Sinne von §52a haben (also keine urheberrechtlich geschützten Inhalte einstellen dürfen) und u.U. uns auch die Berechtigung fehle, an Social Media zu lizensieren (Materialien nach Facebook zu stellen). Weitere Themen waren der Datenhunger von Facebook sowie Biometrie und Social Plugins.
Für Hochschulen ergibt sich nun die Situation: Lernende wandern ab von Lernplattformen hin zu Social Networks, Lernende haben dort dann eigene geschlossene Gruppen, auf die der Tutor i.d.R. keinen Zugriff hat. Wie weit wollen wir ihnen folgen? Lehren basiert auf der Interaktion zwischen Studierenden und Lehrenden… Und: Dürfen wir ihnen folgen?
Danach ging der nächste Referent des httc genauer auf die rechtlichen Gegebenheiten des Urheberrechts und Datenschutzes im E-Learning ein. Im Urheberrecht geht es um den Ausgleich gegensätzlicher Interessen und eine perfekte Lösung ist nicht möglich. Daher gebe es juristisch immer die Kombination aus Regeln (Nutzung nur mit Einwilligung der Rechteinhaber) und Ausnahmen (Nutzung ohne Einwilligung der Rechteinhaber).
Abschließend kann ich sagen: Es war eine spannende Tagung mit vielen neuen Eindrücken und der Besuch hat sich gelohnt.