Eindrücke von der LEARNTEC 2017
Jan 27th, 2017 by Ingrid Dethloff
Dass das Thema Digitalisierung derzeit allgegenwärtig ist, hat sich auch auf die 25. LEARNTEC ausgewirkt: Viel mehr Stände auf der Messe als letztes Jahr, sehr großes Besucherinteresse und gleich am Eingang eine große Jobwall. Für mich ist das Besondere an der LEARNTEC die Breite der Zielgruppen: So kann man alljährlich an den drei Tagen Messe/Kongress eine Bestandsaufnahme machen, was sich insbesondere in Schule und Unternehmenskontext hinsichtlich E-Learning (Fokus Technik, denn wo geht das besser als auf der LEARNTEC?) getan hat. Dennoch wird es interessant sein zu sehen, ob sich der Messe-Branchenforum-Bereich university@LEARNTEC so gut entwickelt wie der mittlerweile sehr eindrucksvolle Bereich school@LEARNTEC. Im Kongressprogramm spielen Vorträge aus dem Hochschulbereich, oft über aktuelle Forschungsprojekte, schon längst eine bedeutende Rolle.
Das “eLearning-Journal” stellte in seiner 2017 LEARNTEC-Ausgabe zehn Highlights und Vorschläge für einen Messerundgang zu ausgewählten Ausstellern vor - Trendthemen seien demzufolge: “Lebenslanges Lernen, Mobile Learning, Blended Learning, LMS, Lern-App, Videotraining, Web Based Training, Open Source, Individualproduktion, Autorentools”
Meinem Eindruck nach tritt beim jährlichen Messe-Rundgang ein Technik-Thema aber immer besonders hervor: 2017 war es (neben Riesen-Bildschirmen & Video) das Thema “Virtual Reality” (VR), was ich dann auch zu meinem Schwerpunkt-Thema gemacht habe. Seit letztem Jahr sind VR-Brillen auf dem Massenmarkt - preisgünstig in Verbindung mit einem passenden Smartphone sind hier die Cardboard-Lösung oder “Samsung Gear VR” zu nennen. Bei Vorhandensein eines Gaming-PCs mit speziellen Grafikkarten sind die teureren Lösungen “HTC VIVE” (zigfach auf der Messe vertreten) oder “Oculus Rift” interessant, da für den Nutzer hiermit zumindest einige Interaktionen möglich sind. Elliott Masie, der gerade im Januar 2017 zu VR einen Report herausgegeben hat (Link), war anlässlich seiner Keynote “Learning Trends, Shifts & Disrupters!” auf dem Kongress - bzgl. Trends gab er sich aber offen: Seine Frage “Wie haben SIE vor fünf Jahren gelernt?” regte zum Nachdenken an, denn über das eigene Lernen denkt man tatsächlich weniger nach als darüber “wie man anderen helfen kann, besser zu lernen”. Und laut Masie gilt “Learners change faster than everything else” (LMS, Technik,…) und die zeitlose Forderung “it is important that we create a challenging learning environment”.
Ein weiteres Thema, das sich durch die LEARNTEC zog, war, ob “Deutschland ein digitales Entwicklungsland” sei. Bzgl. Digital-Strategie-Papieren hat sich auch auf Bundesebene zwar gerade 2016 viel getan, aber ob und wann sich das dann auf die Realität auswirkt, wird zu sehen sein. Im Hochschulbereich geht (schon aus Geldgründen) so manches seinen Gang, aber auch aus der Wirtschaft zeigte sich nicht nur der Vortragende des BVMW sehr kritisch/skeptisch hinsichtlich des aktuellen Standes der digitalen Entwicklung in Deutschland. Und das Vergleichs-Beispiel des flächendeckenden (!) schnellen Netzes in Südkorea (100Mbit/s bzw. 1GBit/s) hörte ich in Karlsruhe gleich mehrfach. In der Eröffnungs-Diskussionsrunde wurde auch die unbefriedigende Situation digitaler Hochschullehre bzgl. des Urheberrechts rund um §52a UrhG heiß diskutiert.
Wenn ich an den Hochschulbereich und unsere Diskussionen zur Vermittlung von Medienkompetenz (Zielgruppe Studierende und Lehrende) denke und dann die vielfältigen existenten technischen Möglichkeiten sehe, die auch gerade im Unternehmenskontext relevant sind, sehe ich große Diskrepanzen. Wobei insbesondere die Lehrerbildung an den Hochschulen gefragt ist, damit schon unsere Schulen an die neuen mediendidaktischen Herausforderungen angepasst werden können. Interessant aus dem Bereich school@LEARNTEC: Hinsichtlich Schulen ist eine flexible Möblierung, die auch Medieneinsatz berücksichtigt und damit verschiedene didaktische Szenarien erleichtert, ein großes Thema - in Hochschulen (wenn nicht gerade fachlich nah am Thema wie die HDM Stuttgart) was Veranstaltungsräume betrifft, wohl eher nicht. Hier sind die Bibliotheken sicherlich die Ansprechpartner für die Gestaltung von Lernräumen.
Learning Analytics ist auch seit einigen Jahren ein Thema - hier bestätigte sich mein Eindruck, dass es mit realen Einsätzen immer noch mager aussieht, man sehr viele Stakeholder einbeziehen müsste, man vor vereinfachter Anwendung von Algorithmen warnen muss und der Datenschutz ein Riesen-Thema ist. Mobile Learning hingegen scheint mir zumindest im Unternehmenskontext als Lernform angekommen zu sein, z. B. um Mitarbeiter im Außendienst zu unterstützen - Web-Apps mit Zugang zu Wissensdatenbanken, Videos und Kommunikationsmöglichkeiten mit Kollegen machen da wirklich Sinn. Ein großes Thema im Zusammenhang mit Mobile Learning ist auch der Einsatz von Sensoren: Welche Sensoren können Lernenden helfen und wie transparent kann/sollte man die Lernenden über ggf. aufgrund von Sensoren erfolgte Anpassungen (Adaptivität) informieren? Auf der LEARNTEC wurden im Kongressprogramm einige Hochschul-Forschungsprojekte zum Aspekt “Einsatz von Sensoren” vorgestellt. Sensoren für geographische Daten (GPS-Koordinaten - wo ist jemand gerade?) sind recht bekannt, doch darüber hinaus gibt es eine Vielzahl von Daten, die ausgewertet und berücksichtigt werden könnten… Die Einbeziehung etwa von Umgebungsgeräuschen von Außendienstlern als Grundlage für Entscheidungen der Anwendung bzgl. “Ist ein Mitarbeiter gerade frei?” wirkt erstmal sehr befremdlich. Sensoren-Anwendungen für Bewegungen von Fußballspielern auf dem Feld oder von Lernenden beim Piano-Spielen erscheinen mir hingegen weniger kritisch. Als Grundlage für die Verwendung von Sensordaten zur Adaptivität von Systemen hörte ich auch dieses Jahr wieder von Ontologien: Wer soll diese Daten für ein Lernangebot aber erstellen - Dozenten wohl eher nicht.
Spannend für mich war auch ein Workshop zum Thema “3D selber machen”: Am mitgebrachten Notebook konnte ich erste eigene Erfahrungen mit der 3D Engine Unity (Editor) machen - naturgemäß keine Software, die man mal so eben lernt, aber eben Grundlage für viele VR-Anwendungen. VR ist ein rasant wachsender Markt mit kurzen Entwicklungszyklen und es wurden auf der LEARNTEC verschiedene Einsatzmöglichkeiten gezeigt in Industrie (Maschinen-Bedienung und -Wartung für beispielsweise Druckmaschinen, Bagger) oder Versicherungsbranche (Prävention). Vorteile bei VR sind die “Erlebnisfaktoren” räumliche Präsenz und Immersion, Grenzen sind z. B. die beschränkten Interaktionsmöglichkeiten mittels der derzeitigen Hand-Controller, die noch nicht ausreichende Bildauflösung oder auch “cyber sickness”.
Alles in allem ein lohnender Besuch der LEARNTEC mit viel Austausch und auch einigen Gesprächen an Messeständen.